Deutschsprachige Volksgruppe – Anerkennung?

Gestern (1.9.2012) die beiden Staatspräsidenten Pahor und Fischer die Gotschee und führten dort Gespräche mit den Vertretern verschiedener deutschsprachiger Vereine Gespräche. Die Tatsache, dass beide Staatspräsidenten in die Gotschee fuhren und Gespräche mit den Minderheitenvertretern führten, hatte eine große symbolische Bedeutung. Man muss wissen, dass im kommunistischen System von der deutschsprachigen Volksgruppe weder gesprochen wurde noch hat es Vereine gegeben. Mittlerweilen ist es anders: die deutschsprachige Volksgruppe hat verschiedene Vereine und entwickelt ein reges Kulturleben. Was zu wünschen übrig lässt, ist die finanzielle Förderung durch den slowenischen, aber auch den österreichischen Staat.
Bei den gestrigen Gesprächen haben die Vertreter der verschiedenen deutschsprachigen Vereine eine zentrale Forderung aufgestellt, nämlich die nach der verfassungsrechtlichen Anerkennung der deutschsprachigen Volksgruppe. Der Staatspräsident Pahor hat auf den § 61 der slowenischen Verfassung hingewiesen, der es jedem Staatsbürger der R Slowenien erlaubt sich als Mitglied einer ethnischen Gruppe zu deklarieren und zu organisieren. Dies scheint für die Vertreter der deutschsprachigen Vereine nicht genug zu sein. Sie orientieren sich offensichtlich am Status der italienischen und ungarischen Volksgruppe in Slowenien und am Status der Slowenen in Österreich. Ist das sinnvoll?
Offensichtlich handelt es sich beim Volksgruppenschutz in Slowenien und Österreich um zwei Dimensionen: die eine Dimension beruht auf der Nachkriegsordnung (Staatsvertrag von Wien von 1955, mit der Österreich die Unabhängigkeit und Souveränität erhalten hat) bzw. der kommunistischen Ordnung in Slowenien und Jugoslawien mit einem spezifischen Zugang zur Regelung der Volksgruppenschutzes. Um es auf den Punkt zu bringen: würde man in Österreich heute den Volksgruppenschutz völlig neu diskutieren und regeln wollen, käme sicherlich kein Artikel 7 des Staatsvertrages mehr heraus. Selbiges gilt für Slowenien: eine neue Diskussion würde mit Sicherheit keine Regelung beinhalten, die der italienischen und ungarischen Volksgruppe einen Parlamentsabgeordneten zu Sonderbedingungen ermöglichen würde.
Im Rahmen der europäischen Union ist der Europarat für den normativen Volks- bzw. Minderheitenschutz zuständig. Dieser hat in den 90-er Jahren zwei Konventionen aufgelegt, die von den Mitgliedstaaten ratifiziert worden sind, darunter auch von Slowenien und Österreich. Beide Konventionen folgen eher der individuellen bzw. Menschenrechtsdimension des Minderheitenschutzes.
Der slowenische Minderheitenschutz entspricht diesen europäischen Normen, ansonsten würde Slowenien nicht der EU beitreten können. Daher ist es ein bisschen ungeschickt, wenn durch die Forderung nach verfassungsrechtlicher Anerkennung der Eindruck erweckt wird, dass Slowenien die Minderheiten, speziell die deutschsprachige Volksgruppe grob diskriminiere. Slowenien gibt sicherlich zu wenig Förderungen, keine Frage, aber allein die Tatsache dass Vereine existieren und arbeiten und polizeilich genehmigt sind, spricht doch für eine Anerkennung der deutschsprachigen Volksgruppe. Dass man die formalrechtliche Ebene (z.B. im Sinne eines Beirates etc.) noch verbessern kann, steht aber auch außer Zweifel.
Wir haben es also mit zwei Dimensionen zu tun: einerseits der Minderheitenschutz unter dem Einfluss der Nachkriegsordnung bzw. der kommunistischen Zeit und ein Minderheitenschutz unter den Bedingungen der europäischen Integration.
Der Staatsvertrag von Wien ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der nach wie vor gültig ist. Nur kümmern sich die Unterzeichner des Staatsvertrages recht wenig über den Umsetzungsgrad des Artikel 7 bzw. überlassen diese Funktion dem österreichischen Verfassungsgerichtshof.
Dieser agiert aufgrund der Tatsache dass die Absätze 2,3, und 4 des Artikel 7 des Staatsvertrages im Jahre 1964 innerstaatlich in Verfassungsrang erhoben wurden. Und dieser Verfassungsschutz gilt eben nur für zwei Volksgruppen, die Kärntner Slowenen, die Steirischen Slowenen und die Burgenländischen Kroaten. Die anderen Volksgruppen in Österreich (Tschechen, Slowaken, Roma und Ungarn) sind verfassungsrechtlich nicht verankert.
Auf einfachgesetzlicher Ebene wird die Frage der österreichischen Volksgruppen durch das Volksgruppengesetz geregelt. Dieses Gesetz ist offen formuliert und definiert die Angehörigen der Volksgruppen folgendermaßen: österreichische Staatsbürger mit nichtdeutscher Muttersprache und eigenem Volkstum.
Mit Verordnung legt die Bundesregierung fest, für welche Volksgruppe ein Beirat zu installieren ist und wie viele Mitglieder dieser zu haben hat und regelt auch die Funktionsweise des Beirates.
Eine verfassungsrechtliche Anerkennung allein ist noch keine Garantie für einen erfolgreichen Minderheitenschutz. Die Steirischen Slowenen sind z.B. im Artikel 7 genannt, haben aber keine zweisprachige Ortstafeln, keine Amtssprache und kein Minderheitenschulwesen. Sie bekommen aber nicht wenig Förderungen aus Österreich (Bund und Land) sowie Slowenien.
Daher bin ich überzeugt davon, dass die deutschsprachige Volksgruppe in Slowenien gut beraten ist eine flexiblere Politik gegenüber dem slowenischen Staat zu führen. Die Forderung nach verfassungsrechtlicher Anerkennung ist noch lange keine Garantie für ein konstruktives Zusammenleben und beinhaltet darüberhinaus die Gefahr, dass die alten Belastungen aus der Geschichte erneut aufleben.